Was bringen Exerzitien?

Achtsamkeit

Exerzitien lehren, mit offenen Augen durchs Leben zu gehen und im Augenblick zu leben. Eine Geschichte verdeutlicht, was gemeint ist:

Ein in Meditation erfahrener Mann wurde einmal gefragt, warum er trotz seiner vielen Beschäftigungen immer so gesammelt sein könne.
Er antwortete: Wenn ich stehe, dann stehe ich. Wenn ich gehe, dann gehe ich. Wenn ich sitze, dann sitze ich. Wenn ich esse, dann esse ich; wenn ich spreche, dann spreche ich.
Da fielen ihm die Fragensteller ins Wort und sagten: Das tun wir doch auch. Aber was machst du noch darüber hinaus?
Er sagte wiederum: Wenn ich stehe, dann stehe ich. Wenn ich gehe, dann gehe ich. Wenn ich sitze, dann sitze ich. Wenn ich esse, dann esse ich; wenn ich spreche, dann spreche ich.
Wiederum sagten die Leute: Das tun wir doch auch!
Er aber sagte zu ihnen: Nein, wenn ihr sitzt, dann steht ihr schon; wenn ihr steht, dann lauft ihr schon; wenn ihr lauft, dann seid ihr schon am Ziel.

Ausdauer

Spiritualität im Sinne des Ignatius von Loyola ist ein lebenslanger Weg:

Ein faszinierender Weg, aber auch ein Weg, der persönlichen Einsatz und die Bereitschaft zur Selbstreflexion und Veränderung erfordert. Wer sich darauf einlässt, lernt, dass die innere Entwicklung Zeit braucht und dass sich Verhaltensänderungen nicht übers Knie brechen lassen. Das hilft dabei, auch an andere - persönliche oder berufliche - Prozesse mit Ausdauer und Geduld heranzugehen.

Belastbarkeit

Wer sich in Exerzitien selber besser kennenlernt, wer sehen lernt, dass selbst in einer tiefen inneren Nacht noch Lichtfunken zu sehen sind, wer erfährt, dass auch in der grössten Krise Verlass auf Gott und auf andere Menschen - z.B. einen geistlichen Begleiter - ist, den wirft auch im Alltagsleben so schnell nichts mehr aus der Bahn.

Dankbarkeit...

...ist bei den Exerzitien Weg und Ziel zugleich: Wer das eigene Leben genau genug anschaut, der sieht, wieviel Grund zur Dankbarkeit es darin gibt - mag der bisherige Lebensweg auch noch so verschlungen und schmerzhaft sein. Mit der Zeit lernt man so auch, kreativer mit schwierigen oder verletzenden Lebenserfahrungen umzugehen und darauf zu vertrauen, dass auch in allem Belastenden ein Körnchen Stärke und Hoffnung liegt.

Eigenverantwortung

Exerzitien helfen dabei, das Leben selber in die Hand zu nehmen. Sie machen die eigenen Möglichkeiten, Stärken und Schwächen bewusst und zeigen, dass wir die Verantwortung für unser Leben an niemandem abtreten können.

Einssein

«Gott in allen Dingen finden» ist eines der Leitworte der Exerzitien-Spiritualität:

in der Natur, in den Mitmenschen, in guten Begegnungen... überall ist Gott gegenwärtig. Diese Erfahrung kann zu einer tiefen Verbundenheit mit der ganzen Schöpfung beitragen - ein Gefühl des Einsseins, das wir als Gegen-Kraft gegen unzählige soziale, wirtschaftliche, politische Spaltungen so dringend nötig haben.

Freiheit

Eine Spiritualität im Sinne der Exerzitien führt zu einer grossen inneren Freiheit. Je tiefer wir uns im einzigen wirklich tragenden Grund unseres Lebens, in Gott, verwurzeln, desto unabhängiger werden wir von all den Dingen, an die wir sonst unser Herz hängen und die uns letztlich am Leben hindern: Ansehen, Erfolg, Geld, das übermässige Bedürfnis, geliebt zu werden, Macht, Selbstsucht, und jede Form von Abhängigkeit...

Ganzheitlichkeit

Exerzitien helfen dabei, ein ganzer Mensch zu werden: das eigene Leben so anzunehmen, wie es ist - mit allen Wegen und Umwegen, die wir schon gegangen sind; die Zusammenhänge zwischen Körper, Seele und Geist wahrzunehmen und Spiritualität auch leibhaftig zu erfahren.

Gelassenheit

«Nichts beunruhige dich, nichts ängstige dich, Gott allein genügt.»
Dieser Wunsch von Theresa von Avila mag für viele Menschen eine lebenslange Sehnsucht bleiben - doch Exerzitien helfen immerhin auf dem Weg dahin: Wer gute Erfahrungen mit den vielen kleinen Schritten auf dem Exerzitien-Weg macht, der kann gelassener darauf vertrauen, dass die vielen Schritte letztlich in ein gutes Ziel münden.

Gotteserfahrung

Exerzitien wollen zu einer eigenen, persönlichen, individuellen Gotteserfahrung verhelfen - weit über ein blosses Reden über Gott oder über das Aufsagen von Glaubensbekenntnissen hinaus. Das ist leichter gesagt als getan - und «tun», selber machen kann man Gotteserfahrungen sowieso nicht.
Dennoch: Exerzitien bereiten darauf vor, die leise, unaufdringliche Gegenwart Gott in allen Dingen und Erfahrungen des Lebens zu erspüren. Und dem einen oder der anderen werden vielleicht sogar mystische Erlebnisse, Gotteserfahrungen, geschenkt, die - im guten Sinne - Hören und Sehen vergehen lassen.

Höhenflüge

Sie sind bei Exerzitien zwar nicht planbar, sie kommen aber immer wieder vor. Dann zum Beispiel, wenn aus dem Reden über Gott plötzlich eine Gotteserfahrung wird oder wenn sich mitten in einer Krise wieder ein Licht zeigt.

Lebensfreude...

...stellt sich fast von alleine ein, wenn man in den Exerzitien lernt, den Blick immer wieder auf die schönen, hoffnungsvollen Seiten des Lebens zu richten. Das blendet andere Erfahrungen nicht aus - aber es öffnet die Augen dafür, wieviel Gutes uns jeden Tag begegnet. Wir müssen es nur wahrnehmen und uns dafür innerlich öffnen.

Offenheit

Exerzitien lassen die Seele tief durchatmen und öffnen: Für die Natur, für den Klang der Stille, für andere Menschen, für die Tiefendimension des eigenen Lebens - und für die Gegenwart Gottes in all dem. Wer das spürt, kann auch offener auf andere Menschen zugehen, gebend und empfangend zugleich.

Sehnsucht

«Alles beginnt mit einer Sehnsucht» schreibt Nelly Sachs.

Exerzitien beginnen nicht nur mit einer Sehnsucht, sondern sie führen auch zu immer grösserer Sehnsucht: Sehnsucht nach dem, was wirklich zählt im Leben. Und jede Sehnsucht, selbst die allerkonkreteste, allermenschlichste Sehnsucht, ist der Anfang eines Weges, der letztlich ins Geheimnis des Lebens selbst einmündet: Meine Sehnsucht - Spur zu Gott.

Selbsterkenntnis

Wer sich einlässt auf die Stille und aufs Verweilen in der Gegenwart Gottes, der begegnet zunächst sich selber mit allen Licht- und Schattenseiten. Das hilft dabei, sich über die Stärken und Schwächen der eigenen Person bewusst zu werden - und sich mit allem in der Liebe Gottes verwurzelt zu wissen.

Sinnlichkeit

Exerzitien-Spiritualität ist eine sinnliche, ganzheitliche Spiritualität. Die Wahrnehmung des eigenen Körpers beim Gehen, Sitzen, Stehen, Knien usw. hilft z.B. dabei, sich auf die Meditation einzustimmen. Mit der Zeit führt das zu einer Spiritualität, die den Menschen auch in seiner ganzen Leiblichkeit und allen leiblichen Erfahrungen anspricht. Theresa von Avila, eine Ordensfrau und Kirchenlehrerin aus dem 16. Jh., sagt dazu: «Sei freundlich zu deinem Leib, damit deine Seele gerne darin wohnt.»

Selbstvertrauen

Exerzitien können dabei helfen, den «göttlichen Boden» unter den Füssen zu spüren, das grosse «JA» zu vernehmen, das Gott zu jedem Leben sagt. Wer diese Erfahrung macht, kann sich - mit den persönlichen Stärken und Schwächen - besser annehmen und wird weniger abhängig von der Meinung anderer Menschen.

Tränen

Wer sich auf einen Weg der Selbstfindung einlässt, wie ihn die Exerzitien anbieten, wird auch mit den schmerzlichen Seiten des eigenen Lebens und der eigenen Persönlichkeit konfrontiert. Doch da, wo ich Schmerz zulassen kann, löst sich Verkrampftes, alte Wunden können sich langsam schliessen. So bereiten die Tränen den Boden für neues, freieres Leben.

Versöhnung...

...bedeutet, dass wir das Leid, das uns zugefügt worden ist, wie auch die Schmerzen, die wir selber anderen angetan haben, in ihrem ganzen Ausmass erkennen und trotzdem darauf vertrauen, dass aus all dem wahrhaftiges, glückliches Leben entstehen kann. Exerzitien helfen auf diesem anspruchsvollen Weg - nicht durch Verdrängung, sondern durchs Hinschauen, nicht durchs Abschieben von Verantwortung, sondern durch die Stärkung des Vertrauens darauf, dass wir mit allen Verletzungen und aller Schuld von der grenzenlosen Liebe Gottes getragen sind.

Weniger Stress

Exerzitien-Spiritualität hilft dabei, den eigenen Gefühlen auf der Spur zu bleiben, den Boden unter den Füssen nicht zu verlieren und den Blick auf die guten, hoffnungsvollen Seiten des Lebens zu richten. Das hilft nicht nur bei der Stressbewältigung, sondern ist zusätzlich noch eine Vorbeugungsmassnahme gegen Herzinfarkt...

Zielstrebigkeit

Exerzitien helfen dabei, Entscheidungssituationen zu erkennen und Entscheidungen aus der Tiefe der eigenen Person heraus zu treffen. Eine solche Entscheidung hat eine grössere Klarheit und kann deshalb auch mit grösserer Konsequenz umgesetzt werden.